Der Artikel „Filmreife Fantasie übernimmt die Regie“ von Manuela Bock ist am 23. Februar 2012 in der Magdeburger Volksstimme erschienen.
„Wer von euch ist aufgeregt?“ Als Ulla Stört das fragt, reckt sie selbst ihren Finger in die Höhe – und mit ihr viele Kinder. „Das“, sagt die Regisseurin der Kinderfilmwerkstatt, „nennt man Lampenfieber.“ Die Knirpse aus Wolmirstedt haben einen guten Grund, aufgeregt zu sein. Sie drehen in Magdeburg einen eigenen Film. „Tischlein deck‘ dich“ steht auf der Klappe, die immer fällt, wenn eine Szene im Kasten sein soll. „Im Kasten“ heißt in diesem Fall in der Kamera von Ulla Stört. Sie ist die gute Seele dieser Einrichtung, die vom Verein Kinderfilmstudio Magdeburg in freier Trägerschaft betrieben wird. Die Truppe hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Voller Enthusiasmus vor mehr als 20 Jahren gestartet, musste sie schnell merken, wie schwer es ist, sich durchzubeißen – vor allem finanziell. Acht Mal sind sie umgezogen, haben sich neu gruppiert. Heute betreibt der Verein neben der Kinderfilmwerkstatt in der Pablo-Picasso-Straße auch einen Hort am Grenzweg.
Una Schaer von der Vereinsgeschäftsleitung sagt: „Uns ist vor allem der Spaß wichtig, den die Kinder hier haben.“ Kindergarten-Knirpse, Grundschüler, Kinder aus Förderschulen kommen aus Sachsen-Anhalt und umliegenden Bundesländern. Sie schlüpfen hier alle in eine Rolle. Von Hans Christian Andersen, Wilhem Hauff, vor allem aber von den Brüdern Grimm sind die Vorlagen für die Filme, die hier entstehen. „Wir lehnen uns sehr an das Original an“, erklärt Ulla Stört. Von „verkürzten Disney-Versionen“ will sie nichts wissen. „Wir wollen den Kindern ein bisschen was aus unserer Kultur mitgeben“, sagt Una Schaer. Die Kulissen zimmert der Verein meist selbst. Die Kleider sammeln sie zusammen, vieles kommt als Spende in den Fundus. Der kreative Kopf des Vereins ist Geschäftsführerin Christiane Czibull. Das Märchen, das „viel Inhalt und viele Personen haben muss“, wählt der Verein für ein Schuljahr. Steht das „Märchengerüst“, übernimmt nicht nur Ulla Stört die Regie, sondern auch die Fantasie der Kinder. Die Regisseurin erklärt kurz das Märchen, die Rollen werden verteilt, die Kostüme vergeben. Texte werden besprochen, aber viele Kinder spielen völlig frei – auch wenn dabei aus einem Wirtshaus schon mal ein „Gewürzhaus“ wird.
Nach etwa zweieinhalb Stunden sehen die „Filmleute“ gleich, was sie geschafft haben, weil das Ergebnis auf DVD gebrannt wird. „Die Lehrer staunen oft“, sagt Una Schaer. „Kinder, die sich in der Schule nichts trauen, spielen ihre Rolle mit Inbrunst.“
Auch die Wolmirstedter Schüler liefern schließlich eine ganz eigene filmreife Version vom „Tischlein deck‘ dich“. Das Lampenfieber gehört dazu, wie das gute Ende beim Märchen. (mbo)